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„Ich war schon als Kind im Auge des Orkans"

Kirsten Roschlaub

„Ich war schon als Kind im Auge des Orkans"

Ein heißer Sommertag in Hamburg, der Sinn steht nicht eben nach Bewegung.

Außer bei „Pepper". Gerade war Frauchen Kirsten Roschlaub noch mit der zwei Jahre alten Havaneser-Hündin draußen, jetzt wuselt das Tier durch die bekannte Galerie am Mittel-weg.

„Ich dachte, ich lege mir einen kleinen Stadthund zu, der nicht so viel Auslauf braucht", sagt Roschlaub und fügt hinzu: „Aber dieser Hund will immer nur laufen, laufen, laufen." Schließlich nimmt „Pepper" aber unter dem Tisch Platz, es folgt ein Gespräch über Kunst, Krisen und Roschlaubs Mitschuld an der Corona-Pandemie.

Es heißt, bei Kirsten Roschlaub trifft sich die Hamburger Gesellschaft - ist Ihr Ruf als Promi-Galeristin zutreffend?

In gewisser Weise schon. Die Galerie ist sicher ein gesellschaftlicher Treffpunkt. Vor allem aber steht sie allen offen.

Der Mittelweg in Pöseldorf ist ja auch eine feine Adresse. Angefangen hat alles aber woanders, oder?

Meine erste Galerie hatte ich am Klosterwall unter der Markthalle. Eine coole Location, auch wenn die Bahn gefühlt mitten hindurchgefahren ist. Aber ursprünglich hatte ich gar nicht vor, Galeristin zu werden.

Sondern?

Ich bin gelernte Fotografin und hatte eine Agentur für Fotografen. 2003 waren die Räume am Klosterwall zu vermieten, allerdings nur an eine Galerie. Da habe ich gesagt, okay, dann habe ich jetzt eben eine Galerie. Die erste Ausstellung habe ich dann kurzerhand für den Designer Thai Cong organisiert, der sich damals gerade einen Namen als Fotograf machte. Von da an hat sich das alles irgendwie verselbständigt.

Ihr Zentrum ist immer Hamburg geblieben.

Ja, für diese tolle Stadt habe ich mich ganz bewusst entschieden.

Ist da noch Platz für eine zweite Liebe zu einem Ort in Deutschland?

Während der Corona-Zeit, spätestens aber, seit ich einen Hund habe, habe ich ernsthaft darüber nachgedacht, nach Sylt zu ziehen. Es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem ich mich so erholen kann. Auch wenn die Winter lang und grau werden können - die Luft und die Natur dort sind einfach wunderschön.

Zurück nach Hamburg: Ihre Familiengeschichte soll zurückreichen bis zum Piraten Klaus Störtebeker:

Der Sage nach schon (lacht). Andere Chroniken weisen auf einen seiner Gefolgsleute als einen Vorfahr meine Familie hin. Aber sicher ist, dass der Urgroßvater meiner Mutter Erster Bürgermeister von Hamburg war, Gustav Heinrich Kirchenpauer. Die Familie meines Großvaters war wiederum nach Brasilien ausgewandert, aber mit Hamburg geschäftlich verbunden geblieben. Das ging so weit, das die Männer im heiratsfähigen Alter nach Hamburg reisen mussten, dort eine Patriziertochter zu heiraten. Mein Großvater machte sich also zu einer Familie mit gleich fünf Töchtern auf den Weg. Als meine Großmutter ihm die Tür öffnete, soll er sich direkt sicher gewesen sein: Die ist es.

Welche Rolle spielt die Familie für Sie?

Meine Familie ist mir wichtig, das heißt aber nicht, dass wir uns ständig sehen. Vieles läuft über WhatsApp, da gibt es auch einen Familien-Chat.

Sie definieren sich sehr über ihre Arbeit. Sind Sie noch aufgeregt vor Ausstellungseröffnungen?

Sehr sogar, und diesmal (Lego-Kunst von Moritz Morbach, die Red.) ganz besonders. Ich konnte auch hinterher überhaupt nicht schlafen, weil ich noch so voller Adrenalin war. Das mag sich seltsam anhören, aber eigentlich mag ich es nicht, im Mittelpunkt zu stehen.

Was war diesmal so besonders?

Ich bin auf Fotografie spezialisiert.

Bei bildender Kunst ist es im Gegensatz zu Fotos in aller Regel so: Was weg ist, ist weg. Und das gefällt mir tatsächlich ganz gut. Manchmal stelle ich mir vor, einen Pizza-Stand zu haben. Da gibt es dann genau zwei Sorten, Margherita und Salami, und jedes Stück kostet drei Euro. Das kann dann jeder kaufen - oder es lassen. Und wenn alles verkauft ist, gehe ich nach Hause. Das hätte etwas.

Wann haben Sie beschlossen, Fotografin zu werden?

Ich hatte eigentlich andere Pläne. Ich wollte Jura studieren, habe einen Rollstuhlfahrer betreut, in einem Geschenkeladen gejobbt.

Als ich nach Volksdorf in meine erste eigene Wohnung gezogen bin, habe ich mir zum ersten Mal ernsthaft Gedanken über die Zukunft gemacht. Und weil ich schon immer gern fotografiert habe, habe ich mich an der Foto-Akademie an der Breitenfelder Straße beworben - und wurde direkt genommen. Die Akademie gibt es heute nicht mehr. Meinen ersten Job in der Branche hatte ich als Fotoassistentin.

Lehrjahre sind allgemein bekannt keine Herrenjahre...

Und so war es auch bei mir. Ich war in einem Jahr als Fotoassistentin 200 Tage und Nächte unterwegs. Von morgens bis abends habe ich die schwere Ausrüstung geschleppt. Niemand hat auf eine Fotoassistentin Rücksicht genommen. Hätte ich gesagt, die Koffer sind zu schwer, hätte es eben jemand anderes gemacht. Auf einer Asienreise wusste ich

eines Morgens nicht mehr, wo ich gerade bin: noch in Kuala Lumpur oder schon auf Bali? Aber es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht.

...um dann nach Hamburg zurückzukehren.

Mein erstes Studio als Fotografin hatte ich in der Mendelssohnstraße, überwiegend habe ich Kindermode für Kataloge fotografiert. Das war die Zeit um die Jahrtausendwende, als die digitale Fotografie noch in den Kinderschuhen steckte. Wir haben noch überwiegend analog fotografiert, und ich hatte immer große Angst, dass Fotos nichts werden und ich es erst beim Entwickeln bemerke. Oder dass meine Fototasche am Flughafen geröntgt wird.

Gab es solche Katastrophen?

Ja. Die schlimmste war sicherlich ein Vorfall nach einem Job für die Zeitschrift „Allegra" in Israel. Ich hatte in Tel Aviv eine Schriftstellerin fotografiert, und auf dem Rückweg wurde mir am Flughafen alles abgenommen. Bis heute weiß ich nicht, warum. Ich musste ohne mein Material und ohne meine Ausrüstung abreisen und

habe nie wieder einen Job von „Allegra" bekommen. Irgendwann bekam ich einen Anruf aus Paris. Eine Fototasche mit meiner Telefonnummer würde endlos ihre Runden auf dem Gepäckband drehen. Die hatten mein Equipment einfach in irgendeinen Flieger geworfen. Die Filme habe ich nie wieder bekommen.

Sie haben einen Fotografen geheiratet...

Holger Roschlaub, der vor allem in den USA arbeitete. Er hat Porträts gemacht, aber auch Plattencover und Videoclips für MTV. Er war extrem gut im Geschäft, und ich bin mehr und mehr dazu übergegangen, die Produktion für ihn zu machen, statt selbst zu fotografieren, zumal mich das zu der Zeit zunehmend stresste.

War der zwischenzeitliche Verlust der Galerie die größere Krise im Vergleich zum Scheitern der Ehe?

Krisen begleiten mich mein Leben lang. Laut meiner Mutter war ich schon als Kind immer im Auge des Orkans. Als der Verlust der Galerie sich im Zuge der Finanzkrise 2008 anbahnte, hatte ich mein ganzes Leben auf den Job konzentriert. Da war es für mich so, als würde mein Leben aufhören, als hätte ich gar kein Leben mehr. Ich habe nur noch nach dem Motto funktioniert: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Und dann ist es eben doch passiert.

Sind die bösen Erinnerungen im Zuge des Corona-Lockdowns wieder hochgekommen?

Eher im Gegenteil, meine Erfahrungen sind mir zugutegekommen. Ich würde es nie wieder so weit kommen lassen wie damals und habe die Corona-Krise sehr fatalistisch und sogar entspannt angenommen. In gewisser Weise hat sie mir sogar gutgetan.

Wie das?

Ich war zum Zeitpunkt des ersten Lockdowns an einem Punkt, wo mir alles irgendwie zu viel war. Es kam mir vor, als würden alle an mir zerren, ein Event jagte das andere. Insgeheim hatte ich später manchmal das Gefühl, als wäre ich an Corona schuld - weil ich mir so sehr gewünscht hatte, dass für eine Zeitlang einfach mal gar nichts stattfindet..

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Sie feiern dieser Tage runden Geburtstag.

Und dazu stehe ich. Heidi Klum ist gerade 50 geworden, Kate Moss wird es auch demnächst – ich bin also in guter Gesellschaft.

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